Immer mehr Unternehmen in der DACH-Region setzen auf das EcoVadis-Rating, um ihre Nachhaltigkeitsleistung messbar und vergleichbar zu machen. Doch gleich zu Beginn steht eine zentrale Frage im Raum: Soll ich mein Unternehmen als gesamte Gruppe, als einzelne Rechtseinheit oder sogar auf Standort-Ebene bewerten lassen?
Die Entscheidung über den Bewertungsrahmen ist entscheidend für den Erfolg im EcoVadis-Prozess. Sie bestimmt nicht nur, welche Daten erhoben und analysiert werden, sondern auch, wie das Ergebnis von Kunden und Geschäftspartnern wahrgenommen wird.
Warum der Bewertungsrahmen so wichtig ist
EcoVadis arbeitet mit klar definierten Bewertungsobjekten („Entities“). Dabei gilt das Prinzip: Die Bewertung muss immer zur Geschäftspraxis und zu den Nachhaltigkeitsrisiken passen. Ein falsch gewählter Bewertungsrahmen kann dazu führen, dass:
wichtige Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht sichtbar werden,
Scorecards nicht den tatsächlichen Leistungsstand widerspiegeln,
Unternehmen mehrfach Aufwand betreiben müssen (z. B. bei Tochtergesellschaften).
Welche Bewertungsrahmen sind zulässig – und welche nicht?
Grundsätzlich bewertet EcoVadis juristische Personen (Unternehmen, Tochtergesellschaften, Standorte), die eine nachvollziehbare Geschäftstätigkeit ausüben. Bestimmte Strukturen sind jedoch nicht zulässig, darunter:
Mischkonzerne mit sehr heterogenen Divisionen (z. B. Chemie & Finanzdienstleistung in einem Konzern)
Abteilungen oder Geschäftsbereiche ohne eigene juristische Person
Reine Vertriebseinheiten ohne operative Tätigkeit (z. B. Sales- oder Marketingbüros)
Holdinggesellschaften ohne operativ tätige Tochtergesellschaften
Produktnamen oder Marken ohne Unternehmen im Hintergrund
NGOs, Genossenschaften oder staatliche Organisationen außerhalb des Anwendungsbereichs
Die drei Optionen im Überblick
1. Gruppenbewertung (Corporate / Group Assessment)
Eine Bewertung auf Gruppenebene fasst mehrere Tochtergesellschaften oder Geschäftseinheiten zusammen.
Vorteile:
Einheitliche Darstellung der Nachhaltigkeitsstrategie für alle Stakeholder.
Weniger Doppelarbeit bei wiederkehrenden Themen (z. B. Policies, globale Programme).
Sinnvoll für Unternehmen mit zentral gesteuertem Nachhaltigkeitsmanagement.
Herausforderungen:
Alle Einheiten müssen dieselben Richtlinien und Maßnahmen nachweisen können.
Einzelne Standorte mit schwächerer Umsetzung können das Gesamtergebnis beeinflussen.
Erhöhte Anforderungen an die Dokumentation und Abstimmung zwischen den Einheiten.
Hier wird eine einzelne Rechtseinheit – z. B. eine Tochtergesellschaft oder ein Landesunternehmen – bewertet.
Vorteile:
Fokussierte Bewertung, die die lokale Realität besser abbildet.
Unternehmen mit heterogener Struktur können gezielt für die relevanten Teile der Lieferkette eine Scorecard vorlegen.
Flexibel bei sehr unterschiedlichen Branchen- oder Risikoprofilen innerhalb der Gruppe.
Herausforderungen:
Höherer Aufwand, wenn mehrere Einheiten parallel bewertet werden.
Abweichungen zwischen den Scorecards können zu Fragen von Kunden führen.
3. Standortbewertung (Site / Facility Level)
In seltenen Fällen kann auch ein einzelner Produktionsstandort bewertet werden – insbesondere, wenn Kunden genau diesen Standort als Lieferanten betrachten.
Vorteile:
Sehr präzise Abbildung der lokalen Gegebenheiten.
Relevant für Branchen mit strengen Standortanforderungen (z. B. Automotive, Chemie).
Herausforderungen:
Kaum Skaleneffekte – jede Standortbewertung ist ein eigener Prozess.
Risiko, dass die strategische Nachhaltigkeitsarbeit des Gesamtunternehmens nicht sichtbar wird.
Drei Optionen des EcoVasdis-Bewertungsrahmens
Typische Stolperfallen
Aus unserer Projekterfahrung sehen wir bei der Wahl des Bewertungsrahmens immer wieder folgende Fehler:
„One size fits all“-Ansatz: Unternehmen wählen eine Gruppenbewertung, obwohl ihre Einheiten sehr unterschiedlich aufgestellt sind.
Unklare Abgrenzung: Tochtergesellschaften mit eigenständigen Geschäftsmodellen werden unter die gleiche Bewertung gezwungen.
Fehlende Abstimmung mit Kundenanforderungen: Häufig verlangen Kunden explizit die Bewertung der jeweiligen Einheit, die in der Lieferkette relevant ist.
Best Practices für die richtige Entscheidung
Analyse der Governance-Struktur: Wer verantwortet Policies, Managementsysteme und Maßnahmen – zentral oder dezentral?
Abgleich mit Kundenanforderungen: Welche Entität fordern Schlüsselkunden in ihren Lieferantenbewertungen?
Dokumentationsfähigkeit prüfen: Können Richtlinien, Kennzahlen und Nachweise für alle Einheiten gleichermaßen erbracht werden?
Skalierung im Blick behalten: Plant das Unternehmen mehrere Bewertungen, sollte frühzeitig eine Struktur für Dokumentation und Wiederverwendung von Unterlagen etabliert werden.
Strategischer Fit: Ein Konzern mit klarer Nachhaltigkeitsstrategie profitiert meist von einer Gruppenbewertung, während heterogene Strukturen oft mit Einheitenbewertungen besser fahren.
Regulatorischer Kontext: Warum es mehr als eine technische Entscheidung ist
Die Wahl des Bewertungsrahmens hängt nicht nur von EcoVadis selbst ab, sondern auch von regulatorischen Entwicklungen:
CSRD / ESRS: Viele Unternehmensgruppen müssen künftig konsolidiert berichten – eine Gruppenbewertung kann Synergien schaffen.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG): Hier zählt, welche Einheit als Vertragspartner auftritt – das spricht häufig für eine Entitätsbewertung.
Internationale Lieferkettenanforderungen: Global agierende Kunden fordern zunehmend Standort-spezifische Nachweise, insbesondere in risikobehafteten Branchen.
Unser Fazit
Die Wahl des EcoVadis-Bewertungsrahmens ist strategisch und operativ gleichermaßen relevant. Unternehmen sollten die Entscheidung nicht allein aus praktischen Gründen treffen, sondern immer im Zusammenspiel mit Kundenanforderungen, Governance-Strukturen und regulatorischen Pflichten.
Die Empfehlung:
Bewertungsrahmen Gruppe → wenn Nachhaltigkeit zentral gesteuert und einheitlich dokumentiert wird.
Bewertungsrahmen Einheit → wenn Geschäftsmodelle, Risiken oder Kundenanforderungen stark differieren.
Bewertungsrahmen Standort → wenn spezifische Werke im Fokus von Kunden stehen.
Wählen Sie den Bewertungsrahmen, der zu Governance, Kundenanforderungen und Nachweisfähigkeit passt.
Kriterium
Gruppe (Corporate)
Einheit (Subsidiary)
Standort (Site/Facility)
Best-Fit (Use Case)
Zentral gesteuerte Konzerne
Einheitliche Policies & Programme
Konsolidierte Kommunikation
Heterogene Gruppen/Ländergesellschaften
Abweichende Risiken & Prozesse
Scorecard für relevanten Lieferantenteil
Kundenvorgabe auf Werk-/Anlagenebene
Standortkritische Branchen (z. B. Automotive, Chemie)
Lieferbeziehung bezieht sich auf ein Werk
Governance-Fit
Starke zentrale Steuerung
Globale Policies & Trainings
Konzernweite KPIs & Programme
Zentrale Leitplanken
Lokale Umsetzung & Ziele
Gemischte Entscheidungsbefugnisse
Lokale Verantwortung für Managementsysteme
Operative KPIs vor Ort
Eigenständige Standortleitung
Dokumentationsfähigkeit
Konsistente Nachweise für alle Einheiten
CoC, Lieferanten-ESG, HSE-Programme
Zentrale Reports & Templates
Einheitsspezifische Belege
Lokale Prozesse, Verträge, Trainings
Eigenständige Risikoanalysen
Standortdaten (Energie/Emissionen)
Audits & Begehungen
Notfall- & Arbeitsschutzpläne
Risiken
Schwache Standorte senken Gesamtscore
Hoher Abstimmungsaufwand
Divergierende Scorecards
Erklärungsbedarf in Sales/Procurement
Konzernprogramme werden ggf. nicht sichtbar
Geringe Skaleneffekte
Skalierung & Aufwand
Hohe Skaleneffekte
Wiederverwendung von Assets
Mittlere Skaleneffekte
Mehrfache Befüllung möglich
Niedrige Skaleneffekte
Jeder Standort eigener Prozess
Typische Kundenanforderung
Teilweise akzeptiert
Oft trotzdem liefernde Einheit gefordert
Sehr häufig
Wenn Einheit Vertragspartner ist
Branchenspezifisch (Werkfreigaben)
Technische Qualifizierungen
Regulatorischer Kontext
Synergien mit CSRD/ESRS (konsolidiert)
LkSG & Verträge auf Rechtseinheit
Werksbezogene Kundenanforderungen
Eignung (Pro & Contra)
Pro: Einheitliches Bild, starke Skalierung
Contra: Heterogene Praxis wird nivelliert
Pro: Passgenau zum Geschäftskontext
Contra: Fragmentierte Wahrnehmung möglich
Pro: Maximale Präzision für die Lieferbeziehung
Contra: Geringe Übertragbarkeit & Aufwand
Häufige Fragen (FAQ)
Q: Muss ich eine neue Bewertung durchführen, wenn mein Mutterkonzern bereits eine Scorecard hat?
A: Ja, häufig verlangt EcoVadis eine separate Bewertung, wenn die Tochtergesellschaft als eigenständige Rechtseinheit agiert oder Kunden dies fordern.
Q: Kann ich die Größe meines Unternehmens im Bewertungsrahmen ändern?
A: Ja, allerdings muss dies über die EcoVadis-Plattform beantragt und mit geeigneten Dokumenten belegt werden.
Q: Was passiert, wenn ich mehrere Einheiten bewerten lasse?
A: Dann erhalten Sie mehrere Scorecards – diese können sich unterscheiden, was sowohl Vorteile (maßgeschneiderte Ergebnisse) als auch Nachteile (Inkonsistenzen) hat.
Five Glaciers Consulting unterstützt Unternehmen als offizieller EcoVadis Consulting Partner dabei, den optimalen Bewertungsrahmen zu wählen und die Bewertung effizient vorzubereiten.
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