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EFRAG State of Play 2025: Was der neue EFRAG-Report über die Realität der ESRS-Berichterstattung verrät

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DATUM

25.7.2025

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Governance & Regulatorik

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Berichterstattung

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Einleitung: Wo stehen wir wirklich bei der ESRS-Berichterstattung?

Am 23. Juli 2025 hat die EFRAG ihren mit Spannung erwarteten „State of Play 2025“-Report veröffentlicht – ein datenbasierter Snapshot der realen Nachhaltigkeitsberichterstattung europäischer Unternehmen nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Grundlage bilden 656 veröffentlichte Nachhaltigkeitsberichte zwischen dem 1. Januar und 20. April 2025.

Doch der Bericht kommt nicht in einem luftleeren Raum: Die Umsetzung der CSRD ist in den Mitgliedstaaten teils noch nicht abgeschlossen, und mit dem „Stop-the-Clock“-Vorschlag der EU-Kommission sowie dem „Omnibus II“-Paketwurden 2024 und 2025 konkrete Erleichterungen verabschiedet. Diese beinhalten unter anderem einen reduzierten Umfang der Berichterstattung für Unternehmen der ersten Anwendungswelle (Welle 1), etwa durch die Möglichkeit einer aufgeschobenen vollständigen Offenlegung oder vereinfachter Anforderungen für bestimmte Offenlegungspflichten.

Trotzdem zeigt der EFRAG-Bericht deutlich: Viele Unternehmen berichten bereits – und zwar teils weit vor der formalen nationalen Umsetzung. Die Relevanz des Reports liegt daher in seiner Funktion als Frühindikator: Er zeigt, welche Themen die Realität der ESRS-Implementierung prägen, wo Lücken bestehen und wie Unternehmen auch entlang der Lieferkette darauf reagieren sollten.

Warum ist dieser Report mehr als eine Momenaufnahme

Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) ist das zentrale technische Beratungsgremium der Europäischen Kommission für Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie entwickelt im Auftrag der Kommission die ESRS-Standards, die Unternehmen künftig im Rahmen der CSRD anwenden müssen.

Was EFRAG hier präsentiert, ist mehr als nur eine technische Auswertung. Der Report ist ein Frühindikator für Reporting-Praxis, Erwartungshaltungen und entstehende Marktrealitäten. Denn obwohl viele der analysierten Unternehmen noch keine formelle Berichtspflicht haben (z. B. weil die CSRD national noch nicht umgesetzt wurde), veröffentlichen sie bereits Berichte nach ESRS.

Das zeigt: Die Standards entwickeln faktisch bereits heute eine marktprägende Wirkung. Wer Teil von Lieferketten großer Unternehmen ist, wird sich künftig daran messen lassen. Denn was in den Reports großer Unternehmen fehlt, wird zunehmend über vorgelagerte Stakeholder wie Zulieferer, Dienstleister oder Projektpartner eingefordert werden.

Die zentrale Frage lautet also: Welche Themen werden bereits heute als materiell eingestuft? Und: Wie detailliert, konsistent und tiefgehend berichten Unternehmen?

Zentrale Erkenntnisse im Überblick

1: Materialitätsanalysen: Drei Themen dominieren

Nur 10 % der Unternehmen identifizierten alle zehn thematischen ESRS-Standards als materiell. Stattdessen kristallisierten sich drei Themen sowohl bei Finanzinstitutionen als auch der Realwirtschaft als nahezu universell wesentlich heraus:

  • E1 – Klimawandel (ca. 98 %)
  • S1 – Eigene Belegschaft (ca. 99 %)
  • G1 – Unternehmensverhalten (ca. 93 %)

Am anderen Ende des Spektrums im Bereich Umwelt stehen Themen wie Biodiversität, Verschmutzung oder Wasserressourcen, die außerhalb spezifischer Branchen (z. B. Chemie, Bergbau, Nahrungsmittelproduktion) selten als wesentlich eingestuft werden.

Abb. 1: Anteilige Materialitätsbewertung themenspezifischer Standards je Sektor (Quelle: EFRAG)

2: Thematische Porisierung zeigt sich auch in Unterthemen

Auch auf Ebene der Unterthemen zeigen sich klare Trends bei der Wesentlichkeit: Fünf Subthemen werden besonders häufig als wesentlich eingestuft – darunter „Klimaschutz“, „Energie“, „Arbeitsbedingungen“, „Gleichbehandlung“ und „Unternehmenskultur“. Diese Themen gelten bei mehr als 80 % der berichtenden Unternehmen als wesentlich. Auffällig ist dabei, dass insbesondere Non-Financial-Unternehmen deutlich höhere Quoten bei fast allen Subthemen aufweisen – z. B. 97 % bei „Klimaschutz“ gegenüber nur 66 % bei Finanzunternehmen. Dies deutet auf nachvollziehbare unterschiedliche Schwerpunktsetzungen je nach Unternehmensart hin.

Abb. 2: Anteilige Materialitätsbewertung von Unterthmen in E1, S1, G1 (Quelle: EFRAG)

3: Befürchtung der übermäßigen Materialitätsbewertung scheint unbegründet

Die Analyse der EFRAG zeigt auch,dass Unternehmen sehr unterschiedlich mit der Wesentlichkeitsanalyse umgehen. Nur rund 10 % der berichtenden Unternehmen stufen alle 10 thematischen ESRS-Standards als wesentlich ein. Überwiegend – bei mehr als der Hälfte (52 %) – werden 4 bis 6 materielle Themenstandards ausgewählt. Etwa ein Viertel berichtet sogar nur 4 oder weniger,wobe auch in dieser Kohorte zu signifikanten Telen die Standars E1, S1, und G1 al Mmateriell betrachtet wurden. Es liegt daher na,he,dassUnternehmendie Materialitätsanalyse aktiv und bewusst genutzt haben, um sich einen eigenenNachaltigkeitsfokus zu setzen.

Abb. 3: Anteil von Unternehmen je Anzahl materieller themenspezifischer Standards (Quelle:EFRAG)

4: Stakeholderbeteiligung: intern stark – gesellschaftlich schwach

Laut Bericht involvierten 97 % der Unternehmen interne Stakeholder in ihre Materialitätsanalyse – insbesondere Führungskräfte, Fachbereiche oder ESG-Teams. Die Beteiligung externer gesellschaftlicher Gruppen (Zivilgesellschaft, NGOs, betroffene Gemeinschaften) bleibt hingegen marginal.

Das wirft Fragen auf zur Tiefe und Legitimität der doppelten Wesentlichkeit, die explizit auch die Outside-In-Perspektive (Impact auf Umwelt und Gesellschaft) adressieren soll.

Abb. 4: Anteil involvierter Stakeholdergrupen in DWA (Quelle: EFRAG)

5: Transition Plans: Offenlegungen mit großen Unterschieden

Rund 55 % der Unternehmen veröffentlichten einen Klimatransitionsplan – ein zentraler Bestandteil des ESRS-E1-Standards. Die Qualität und Tiefe der Pläne variiert jedoch deutlich. Während einige Unternehmen faktenbasierte Roadmaps mit CapEx-Zuordnungen, Zwischenzielen und Abhängigkeiten vorlegen, bleibt es bei anderen bei strategischen Absichtserklärungen ohne messbare Inhalte.

Ein weiterer Befund: Zwar streben ca. 70 % der Unternehmen Emissionsziele im Einklang mit 1,5 °C an (Scope 1 & 2), doch nur 40 % dieser Ziele umfassen auch Scope-3-Emissionen. Und auch wenn 60 % der Unternehmen ihre Ziele durch die SBTi validieren ließen, bleibt die Transparenz in Bezug auf Scope 3 eine Herausforderung.

Die hohe Anzahl an berichteten 1,5 °C-kompatiblen Klimatransformationsplänen im CDP-Rating 2023 – rund 5.900 Unternehmen bzw. 26 % der Berichtenden – bestätigt den Aufwärtstrend, den CDP auch 2024 erneut hervorhebt. Dieser Anstieg unterstreicht, dass strategische Klimapläne zunehmend als zentraler Bestandteil glaubwürdiger Nachhaltigkeitsberichterstattung wahrgenommen werden.

Seltene Offenlegung: Biodiversität, CO₂-Preise, Menschenrechtsverletzungen

Ein Blick in die Detailanalysen des Berichts offenbart, dass bestimmte Themen trotz ihrer gesellschaftlichen und regulatorischen Relevanz bislang nur begrenzt offengelegt werden:

  • Biodiversität (E4) wurde von weniger als 30 % der Unternehmen als materiell eingestuft. Selbst in biodiversitätsrelevanten Sektoren wie der Landwirtschaft, Rohstoffgewinnung oder Chemieindustrie ist das Niveau der Offenlegung gering. Die durchschnittlich berichtete Anzahl an Biodiversitätskennzahlen liegt laut Bericht bei lediglich vier pro Unternehmen, was auf fehlende Datenverfügbarkeit und mangelnde Indikatorstandardshindeutet (vgl. Report S. 47).
  • Auch der Einsatz eines internen CO₂-Preises bleibt eine Ausnahme: Nur rund 20 % der Unternehmen nutzen dieses Instrument, das im Kontext der ESRS E1 explizit als Teil einer effektiven Klimastrategie empfohlen wird. Besonders aktiv sind hier laut EFRAG-Analyse der Bergbau (60 %), die Energiewirtschaft (53 %) und der Transportsektor (32 %) – Branchen also, in denen CO₂-intensive Prozesse und Investitionsentscheidungen einen hohen Stellenwert haben (vgl. S. 49).
  • Bei den Menschenrechtsverletzungen zeigen sich ebenfalls deutliche Diskrepanzen zwischen deklarierter Relevanz und faktischer Offenlegung: Zwar geben 78 % der Unternehmen an, den Datenpunkt S1-17 ("Severe Human Rights Incidents") zu adressieren, doch nur 5 % dieser Unternehmen berichten tatsächlich über einen oder mehrere Vorfälle. In der vorgelagerten Wertschöpfungskette (S2-4) ist diese Zahl noch geringer – von rund 33 % der Unternehmen, die hierzu Daten angeben, nennt nur ein Zehntel tatsächliche Vorfälle. Das lässt auf ein systematisches Underreporting oder mangelhafte Erhebungsprozesse schließen (vgl. S. 52–53).

Was auch nicht-berichtspflichtige Unternehmen jetzt aus dem Bericht mitnehmen sollten

Für Unternehmen, die aktuell nicht der CSRD unterliegen, ist dieser Report dennoch hochrelevant. Denn was große berichtspflichtige Firmen in ihren Nachhaltigkeitsstatements offenlegen (müssen), wird in Zukunft entlang der Wertschöpfungskette rückwärts „eingepreist“:

  • Daten zu Emissionen, Lieferkettenrisiken, Governance-Mechanismen oder sozialen Aspekten werden künftig systematisch bei Zulieferern, Dienstleistern und Kooperationspartnern abgefragt.
  • Die Priorisierung von Themen (E1, S1, G1) zeigt klar: Wer hier keine belastbaren Daten liefern kann, wird mittelfristig Wettbewerbsnachteile bei Ausschreibungen, Investoren oder regulatorischen Prüfungen erfahren.

Zudem bietet der Bericht eine praktische Orientierungshilfe für das eigene Materialitätsverständnis:

  • Welche Themen sind in meiner Branche strukturell wesentlich?
  • Wie gehen große Unternehmen in meiner Wertschöpfungskette mit Biodiversität, Kreislaufwirtschaft oder Arbeitsrechten um?
  • Welche Stakeholder wurden bei der Wesentlichkeitsanalyse eingebunden – und welche nicht?

Ein ergänzender Zugang bietet dabei der neue freiwillige KMU-Standard VSME (Voluntary Sustainability Reporting Standard for Micro-Enterprises), den EFRAG parallel entwickelt. Das modular aufgebaute System bietet kleinen und mittleren Unternehmen die Möglichkeit, eine strukturiert abgespeckte und praxisnahe Berichterstattung zu erstellen – und damit wesentliche Anforderungen großer Geschäftspartner frühzeitig zu antizipieren.

Fazit: Reporting verändert Märkte – nicht nur durch Pflichten

Die „State of Play“-Auswertung zeigt eindrucksvoll: Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich längst nicht nur regulatorisch, sondern marktdynamisch. Auch ohne formale CSRD-Verpflichtung veröffentlichen viele Unternehmen heute schon nach ESRS – weil es erwartet, eingefordert oder strategisch sinnvoll ist.

Für nicht-berichtspflichtige Unternehmen bedeutet das: Jetzt ist die Zeit, Relevanz und Materialität proaktiv zu prüfen, interne Datenprozesse anzustoßen und sich mit den Erwartungen ihrer Stakeholder – ob Investoren, Großkunden oder Mitarbeitenden – auseinanderzusetzen.

Der Bericht bietet hierfür eine wertvolle Grundlage. Wer ihn klug liest, erkennt nicht nur, was formell nötig ist, sondern was strategisch geboten sein wird.

Quellen & Verweise

  1. EFRAG (2025): „State of Play 2025“ Report – Analyse von 656 ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichten: Link zum PDF
  2. EFRAG Insights Portal – Interaktive Plattform mit Dashboards und Reportdatenbank: insights.efrag.org
  3. CSRD und ESRS Überblick (EFRAG) – Hintergrund zu Standards, gesetzlicher Lage und Implementierung:
    efrag.org/en/news-and-calendar/news/efrag-launches-esrs-statistics-and-report-portal-on-the-2025issued-esrs-sustainability-statement

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