Das GHG-Protokoll (auch Greenhouse Gas Protocol) ist der weltweit am häufigsten genutzte Standard zur Erfassung, Berechnung und Offenlegung von Treibhausgasemissionen. Entwickelt vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), bildet es die methodische Basis für Corporate- und Product-Carbon-Footprints, regulatorische Offenlegungen (z. B. CSRD/ESRS, IFRS S2) und Zielsetzungen (z. B. SBTi). In 2023 berichteten 97 % der CDP-meldenden S&P-500-Unternehmen gemäß GHG-Protokoll; bereits 2016 nutzten 92 % der bei CDP antwortenden Fortune-500-Unternehmen den Standard direkt oder über darauf aufbauende Programme.
Was ist das GHG-Protokoll – und warum ist es so einflussreich?
Das GHG-Protokoll ist ein international anerkanntes Regelwerk zur Erfassung von Treibhausgasemissionen. Es definiert Prinzipien, Methoden und Standards, die es Organisationen ermöglichen, ihre Klimawirkungen transparent darzustellen. Im Zentrum stehen nicht nur die Emissionen des eigenen Unternehmens, sondern auch jene entlang der gesamten Lieferkette. Damit liefert das Protokoll den Rahmen, um Corporate Carbon Footprints (CCF) oder Product Carbon Footprints (PCF) auf konsistenter Grundlage zu berechnen. Das GHG Protocol definiert Prinzipien (Relevanz, Vollständigkeit, Konsistenz, Transparenz, Genauigkeit), legt Scopes (1, 2, 3) fest und stellt Leitfäden bereit, damit Organisationen Emissionen einheitlich, prüfbar und vergleichbar erfassen können.
Warum es zum De-facto-Standard wurde:
Interoperabilität: Nahezu alle großen Rahmenwerke (CSRD/ESRS, GRI, IFRS S2/TCFD, SBTi) referenzieren die GHG-Logik.
Praxisnähe: Klare Scoping-Logik (1/2/3), Methoden-Guidance und Tools (z. B. für Scope 3-Berechnungen).
Corporate Value Chain (Scope 3) Standard – Methode für 15 Kategorien entlang der Wertschöpfungskette, flankiert durch die Technical Guidance for Calculating Scope 3 Emissions (Datenhierarchien, Methoden, Beispiele).
Product Life Cycle Accounting & Reporting Standard („Product Standard“) – produktbezogene THG-Bilanzierung über den Lebenszyklus (ISO-kompatibel, LCA-basiert).
Land Sector & Removals Guidance – (im Abschluss der Entwicklung) Anleitung zur Bilanzierung von Landnutzung, biogenen Flüssen und Entnahmen; Veröffentlichung geplant für Q4 2025.
Wer unterliegt dem GHG-Protokoll?
Das GHG-Protokoll richtet sich längst nicht mehr nur an internationale Großkonzerne, sondern an eine breite Palette von Organisationen, die ihre Treibhausgasemissionen messen, steuern oder offenlegen wollen. Es gilt gleichermaßen für börsennotierte wie privat geführte Unternehmen, die nachhaltigkeitsbezogene Ziele verfolgen oder regulatorische Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erfüllen müssen. Darüber hinaus nutzen Kommunen, Städte, Forschungseinrichtungen und NGOs das Regelwerk, um ihre Klimawirkungen transparent zu erfassen, während Finanzinstitutionen es heranziehen, um klimabezogene Risiken und Chancen in Portfolios zu integrieren. In vielen Lieferketten verlangen große Abnehmer inzwischen explizit, dass ihre Zulieferer GHG-konforme Daten bereitstellen – wodurch der Standard auch für kleine und mittelständische Unternehmen praktisch unvermeidbar geworden ist.
Besonders sichtbar wird die Relevanz in den Kapitalmärkten: Organisationen, die Klimaziele nach der Science Based Targets initiative (SBTi) anstreben, an grünen Finanzinstrumenten teilnehmen oder sich gegenüber Investoren und Ratingagenturen positionieren wollen, sind faktisch verpflichtet, ihre Bilanzen am GHG-Protokoll auszurichten. Ohne diese Grundlage verlieren Aussagen zur Emissionsreduzierung schnell an Glaubwürdigkeit. Die hohe Verbreitung unterstreichen Zahlen: Laut CDP berichteten 2023 rund 97 % der S&P-500-Unternehmen, die bei CDP Daten einreichen, GHG-konform; bereits 2016 gaben 92 % der Fortune-500 an, das Protokoll direkt oder indirekt zu nutzen. Diese Netzwerk-Effekte erklären, warum Investoren, Banken und Lieferketten-Programme GHG-konforme Zahlen heute als Mindeststandard betrachten – und warum immer mehr Unternehmen mit geprüften Inventaren in Assurance-Prozesse, etwa nach ISO 14064-3, übergehen.
Das GHG-Protokoll verlangt, dass Berichte den fünf Prinzipien entsprechen: Relevanz, Genauigkeit, Vollständigkeit, Konsistenz, Transparenz – und dies explizit dokumentiert wird (z. B. Datengrenzen, Annahmen, Unsicherheiten).
Wesentliche Bausteine für belastbare Inventare:
Datenquellen & Hierarchien: Vorrang für primäre, lieferantenspezifische Daten; wo nicht verfügbar, branchen-/länderspezifische Faktoren; zuletzt generische Datenbanken (Dokumentation & Qualitätsbewertung erforderlich).
Scope 2-Spezifika: Dual-Reporting (market- & location-based), Qualitätskriterien für Vertragsinstrumente, Residual-Mix für ungeklärte Attribute.
Base Year & Recalculation: Bei strukturellen Änderungen (M&A, Desinvestments), Methodik-Updates oder wesentlichen Datenkorrekturen ist die Neuberechnung der Basisjahre gefordert, um Trendvergleichbarkeit sicherzustellen. (Corporate-Standard-Anforderung)
GHG-Protokoll im Verhältnis zu ISO-Standards
Während das GHG-Protokoll methodische Leitplanken und Prinzipien vorgibt, setzen ISO-Normen häufig stärker auf formale Anforderungen. Besonders relevant ist hier die Norm ISO 14064, die detaillierte Anforderungen für Quantifizierung, Monitoring und Verifizierung von Treibhausgasinventaren definiert. Unternehmen nutzen oft beide Ansätze komplementär: Das GHG-Protokoll als methodisches Fundament, die ISO-Normen als formalen Rahmen für externe Prüfungen und Zertifizierungen. So entsteht ein Doppelrahmen, der sowohl inhaltlich robust als auch rechtlich belastbar ist.
GHG-Protokoll vs. ISO-Standards – wann nutze ich was?
Aspekt
GHG Protocol (WRI/WBCSD)
ISO 14064 (THG-Inventare)
ISO 14067 (Product Carbon Footprint – PCF)
ISO 14040/44 (LCA-Methodik)
Zweck / Fokus
Rahmen für Erfassung & Reporting von Treibhausgasen (Scopes 1–3) auf Organisations- und Wertschöpfungskettenebene.
Das GHG-Protokoll ist nicht nur ein methodisches Hilfsmittel, sondern der gemeinsame Nenner fast aller internationalen Klimaberichts- und Offenlegungsstandards. Es schafft die Basis, auf der regulatorische und freiwillige Rahmenwerke ihre Anforderungen formulieren. Wer im Nachhaltigkeitskontext gesetzeskonform oder investorenorientiert berichten will, kommt am GHG-Protokoll nicht vorbei.
CSRD/ESRS (EU): Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive und ESRS E1 wird die konsistente Erfassung nach Scopes 1–3 verpflichtend.
IFRS S2 / TCFD: Globale Investorenstandards wie die ISSB-Norm IFRS S2 und die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures verlangen explizite Scope-basierte Offenlegungen.
GRI: Der weltweit meistgenutzte Nachhaltigkeitsstandard spiegelt die Logik des GHG-Protokolls in seinen Klimaindikatoren (GRI 305).
SBTi: Ohne ein GHG-konformes Inventar ist keine Zielvalidierung möglich; die Initiative akzeptiert ausschließlich Daten, die auf dem Protokoll beruhen.
Damit wird das Protokoll zum gemeinsamen Vokabular für regulatorische Berichte, Investorenanforderungen und wissenschaftliche Initiativen. Laut WRI bauen inzwischen fast alle relevanten Standards auf diesem Rahmen auf.
Wie Unternehmen pragmatisch starten (und skalieren)
Die Einführung eines GHG-konformen Inventars ist kein einmaliges Projekt, sondern ein mehrjähriger Lernprozess. Unternehmen, die strukturiert vorgehen, können klein beginnen und ihre Bilanz schrittweise vertiefen. Der typische Ablauf gliedert sich in vier Schritte:
Inventar-Design:
Ziele der Bilanzierung definieren (z. B. CSRD-Reporting, SBTi-Zielsetzung, interne Steuerung).
Organisatorische Grenzen festlegen (Equity Share, Financial Control oder Operational Control nach GHG-Protokoll).
Optionale externe Verifizierung nach ISO 14064-3 anstreben.
Weiterentwicklungen im Blick behalten, z. B. neue Scope 2 Guidance oder die geplante Land Sector & Removals Guidance (2025).
So entsteht Schritt für Schritt ein belastbares Emissionsinventar, das nicht nur den regulatorischen Anforderungen genügt, sondern auch als Grundlage für eine glaubwürdige Dekarbonisierungsstrategie dient.
Das GHG-Protokoll: Rahmen des Klimamanagements
Mehr als zwei Jahrzehnte nach seiner Einführung ist das GHG-Protokoll weit mehr als ein technisches Regelwerk – es ist das globale Fundament für modernes Klimamanagement. Ohne seine konsistente Anwendung lassen sich Net-Zero-Strategien nicht glaubwürdig umsetzen, SBTi-Ziele nicht validieren und CSRD-Berichte nicht rechtskonform erstellen.
Für Unternehmen bedeutet das in der Praxis: Das GHG-Protokoll sollte so früh wie möglich in die eigene ESG- und Klimastrategie integriert werden. Nur so lassen sich Transparenz, Steuerungsfähigkeit und ein belastbares Fundament für Investoren- und Stakeholderkommunikation aufbauen.
Besonders relevant ist die Kombination mit ISO-Standards (z. B. ISO 14064-1 für Emissionsinventare oder ISO 14068-1 für Klimaneutralität), die eine prüfbare Verlässlichkeit schaffen. Diese Schnittstelle zwischen GHG-Protokoll und ISO bildet die Grundlage für Audits, externe Verifizierungen und ein glaubwürdiges ESG-Rating.
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